Eigenschaften einer Stromversorgung mit intermittierenden Quellen

Eigenschaften einer Stromversorgung mit intermittierenden Quellen

En 2012, 23 % de l’électricité produite en Allemagne était d’origine renouvelable. Est-il techniquement possible d’atteindre 100 % ? A partir d’une simulation du système électrique allemand, l’article montre qu’une construction massive d’éoliennes et de centrales solaires n’a de sens qu’avec le développement d’un stockage à grande échelle de l’énergie, qui reste à mettre au point.


Die Energiewende Deutschlands, also der Wechsel von nuklearen und fossilen hin zu erneuerbaren Energietechniken, ist politisches Ziel. Bis Ende 2014 wurde der Aufbau von nahezu 80 GW an installierter Wind- und Photovoltaik (PV)-Leistung erreicht. Damit lässt sich bereits der deutsche Spitzenverbrauch zeitweise abdecken. Die erforderlichen Investitionen werden insbesondere über Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) gefördert – 2014 mit etwa 24 Mrd Euro. Da diese auf 20 Jahre garantiert sind, wird sich der Gesamtaufwand auf mehrere 100 Mrd € aufsummieren[1].

2012[2] trugen zum deutschen Nettostromverbrauch von 527 TWh die Erneuerbaren Energie­formen 151 TWh bei. Dabei entfielen auf die praktisch kaum weiter ausbaufähigen Formen Wasserkraft und Biogas 76,8 TWh und auf die skalierbaren, also ausbaufähigen Formen Wind und PV 74,2 TWh. Kernenergie steuerte 99 TWh bei; den Rest lieferten überwiegend Kraft­werke mit fossilen Brennstoffen bei einer mittleren spezifischen CO2-Produktion von 0,874 kg CO2/kWh. Windkraft und PV trugen also zusammen ca. 14% (2014 14,8%) zum Jahres­verbrauch bei.

Die Diskrepanz zwischen sehr hohen installierter Wind- und PV-Leistungen und damit über das Jahr produzierten mäßigen Strommengen zeigt die Problematik der Erzeugung von Strom vornehmlich aus intermittierenden Quellen, die hier untersucht werden soll. Obwohl dabei nur die Stromproduktion, also nur etwa 25 % der gesamten Energieerzeugung in Deutschland betrachtet wird, kann für den langfristig notwendigen Ersatz aller fossilen Formen durch Strom aus erneuerbaren Quellen davon ausgegangen werden, dass die hier identifizierten Eigenschaften einer intermittierende Produktion mit niedriger Energiedichte zunehmend auch für die gesamte Energieversorgung Relevanz haben werden.

 

1. Methode, Zielwerte und Annahmen

Diese Arbeit betrachtet die Charakteristiken der Stromversorgung bei einer hundert­prozentigen durchschnittlichen Deckung des Jahresnettostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien [3]. Die Erzeugungs- und Verbrauchscharakteristik des Jahres 2012 wird analysiert und auf eine Versorgung, die vollständig den Jahresstromverbrauch aus erneuerbaren Energie­systemen abdecken würde, hochgerechnet. Als Variablen der Extrapolation dienen der Ausbau von Wind- und PV-Leistung. Die benötigten Daten zu Stromverbrauch und Stromerzeugung liegen für Europa seit Jahren mit einer stündlichen Zeitauflösung[4], diejenigen des deutschen Netzbetriebs mit 15 min Auflösung[5] vor. Der Jahresverlauf von Wind- und PV Leistungsdaten von 2012 wurde auf konstante installierte Leistung umge­rechnet entsprechend dem Ausbauzustand am Jahresende.

Die Methodik baut auf früheren Analysen für das Jahr 2010 auf Wagner (2012) [6], die bereits die grund­sätzlichen Trends aufzeigen. Ähnliche Untersuchungen für Frankreich finden sich zusammen mit einem Vergleich der Versorgung mit Erneuerbaren Energien (EE) in Frankreich und Deutschland in Grant and al. (2015) [7] sowie für Italien in Romanelli F. (2015) [8].

Abb. 1 zeigt links die tatsächlichen Beiträge der unterschiedlichen Energiequellen zur Stromversorgung 2012 und rechts die extrapolierte durchschnittlich 100%-Versorgung durch Wasserkraft, On- und Offshore-Wind sowie PV. Die Spitzenleistung der intermittierenden Quellen muss deutlich höher sein als die jahresdurchschnittliche Verbrauchsleistung, so dass es zuzeiten zur Erzeugung von Überschussstrom kommt. Zusätzlich ist aber, da Perioden existieren, in denen Wind und PV nicht genügend Leistung liefern, ein Back-up-System nötig, dessen Jahres-Energiebeitrag ebenfalls dargestellt ist. Im diskutierten 100%-Fall entspricht die Back-up-Energie der – ebenfalls aufgetragenen – Überschussenergie.

Abb. 1 : Dargestellt ist links die tatsächliche Stromproduktion im Jahr 2012 (527 TWh) und rechts eine hypothetische 100%-ige Versorgung mit EE nach der Energiewende. Zu der für die Lastdeckung benötigten Strommenge kommt die notwendige Erzeugung aus Back-up Systemen (in wind- bzw. sonnenschwachen Zeiten) und die in wind- bzw. sonnenreichen Zeiten überschüssig produzierte Strommenge hinzu.

In Abb. 1 ist dabei angenommen, dass in Zukunft Einsparungen und Effizienzerhöhungen aber auch die Bevölkerungsentwicklung eine wachsende Stromnutzung z.B. im Verkehr oder auch für Raumheizung kompensieren[9], der deutsche Jahresnettostromverbrauch also etwa konstant bleibt. Da sich der Beitrag der Wasserkraft in Deutschland nicht erhöhen lässt, wird sie für die Analyse als Konstante vom Verbrauch abgezogen. Die heutige Verstromung von Biomasse wird zunächst nicht berücksichtigt, da erwartet wird, dass Bioenergie künftig eine wichtige Rolle beim Treibstoff für Flug- oder Schwerlastverkehr spielen wird. Auf dem betrachteten Zeithorizont wird Kernenergie in Deutschland keinen Strom mehr liefern. Stromimport und -export werden ebenfalls nicht berücksichtigt, was zwar unrealistisch ist, aber erlaubt, zunächst die Grundcharakteristik eines nationalen 100%-EE Strommarktes zu untersuchen. Da der Nettostromverbrauch betrachtet wird, können auch Verluste bei der Stromproduktion vernachlässigt werden – Wirkungsgrade, Umwandlungs- und Transport­verluste können jedoch leicht in die Betrachtung einbezogen werden. Die vorgestellten Ergebnisse sind also zunächst Idealwerte mit einer reduzierten Last[10] von gerundet 500 TWh, die von On- und Offshore-Wind sowie PV gedeckt werden soll.

 

2. Anteile von Wind und PV

Der installierte Mix von Wind- und PV-Leistung wurde und wird durch wirtschaftliche und politische Entscheidungen bestimmt[11]. Technisch lässt sich aber aus der günstigeren Über­einstimmung von Wind mit der Last im saisonalen Zeitverlauf – beide sind im Winter höher als im Sommer – und der besseren Übereinstimmung von PV mit der Last im Tagesverlauf ein optimaler Mix definieren, der die jährliche Back-up-Strommenge und damit auch die CO2- Emission minimiert, was ja das eigentliche Anliegen der Energiewende ist.

Abb. 2 : a) Back-up-Energie aufgetragen gegen den Energiebeitrag von PV, jeweils normiert auf den Jahresverbrauch für verschiedene europäische Länder einzeln und zusammen; b) rechts dieselbe Größe, aufgetragen gegen den Anteil von Offshore-Wind Eoff an der gesamten Windproduktion Eoff+Eon; rechte Ordinate: die zu installierende Windleistung in Abhängigkeit vom Wind-Mix.

In Abb. 2a ist der Anteil, den Back-up Systeme des Residualsystems für die Deckung der Last (normierte Back-up-Strommenge) liefern müssen, gegen den Anteil des PV-Beitrags an der Strommenge für Frankreich, Spanien, Tschechien und Deutschland sowie für die vier Länder gemeinsam aufgetragen. Alle Kurven zeigen ein flaches Optimum bei etwa 20% PV-Anteil. Weniger PV verschlechtert das Optimum und damit die CO2-Vermeidung nur geringfügig: PV könnte also durch Wind ersetzt werden. Hingegen ist ein größerer PV-Anteil rasch deutlich nachteilig.

Abb. 2b zeigt, dass eine entsprechende Optimierung nahezu insensitiv gegenüber dem Anteil von Offshore-Anlagen an der gesamten Windstrommenge ist. Im Folgenden wird der Offshore-Anteil daher willkürlich auf 1/3 der Gesamtproduktion durch Windkraft festgelegt. Ein höherer Offshore-Anteil hat für die folgenden Aussagen zunächst keine Bedeutung, würde aber wegen der höheren Zahl von Volllaststunden[12] die erforderliche installierte Leistung reduzieren. Dies ist ebenfalls in Abb. 2b dargestellt.

 

3. Das Grundproblem bei der Nutzung intermittierender Stromquellen

Abb. 3 verdeutlicht das grundsätzliche Problem bei der Verwendung intermittierender Stromquellen. Aufgetragen sind in Form von sogenannten Jahresdauerkurven die Leistungs­werte der reduzierten Last von 2012 sowie die Ertragskurven für Wind- und Sonnenstrom beim 100%, optimalem Mix Fall (Abb. 2a). Die Energie (die Fläche unter beiden Kurven), ist gleich und beträgt 500 TWh. Um dies zu erreichen, ist die Stromerzeugungsleistung über Zeitintervalle, die sich zu ca. einem halben Jahr addieren, im Vergleich zur Last zu hoch, während sie für den Rest des Jahres – bei Schwachwind, in der Nacht und bei Bewölkung (z.T. extrem) zu niedrig ist. Um mit intermittierenden Quellen die nötige Strommenge zu erzeugen, müssen also sehr hohe Leistungen installiert werden. Die mit hohen Leistungs­werten jenseits des jeweiligen Bedarf erzeugte Strommenge ist überschüssig und muss, soweit wirtschaftlich vertretbar, exportiert oder durch zusätzlich zu schaffende zeitvariable Ver­braucher genutzt werden oder ein entsprechender Anteil der Windturbinen bzw. PV-Anlagen muss abgeregelt werden. Die Jahresdauerkurve der EE-Leistungen zeigt auch, dass mehr als 50% der EE Spitzenleistung nur für wenige Wochen im Jahr zur Verfügung stehen. Daraus
resultieren die geringen Kapazitätsfaktoren, die für die marktwirtschaftliche Nutzung der Investitionen problematisch sind.

Abb. 3 : Jahresdauerkurven der Last (schwarz) und der ins Netz gelieferten EE-Leistung (blau gestrichelt) im 100%-Fall.

Die zu niedrige Stromerzeugung rechts des Schnittpunktes der beiden Kurven zeigt, dass ein Back-up-System nötig wird, das aus anderer Stromerzeugung, Import oder Speicher zeitweise sogar die vollständige Last bedienen kann. Diese Energiebeiträge – Überschuss und Back-up – sind Abb. 1 und quantitativ Tabelle 1 zu entnehmen.

Die in Abb. 3 dargestellten EE Leistungswerte ergeben sich aus der Summe der Einzel­beiträge der drei betrachteten Quellen. Diese produzieren in einem Zeitinkrement nicht jeweils mit der Nennleistung[13]. Die tatsächlich installierte Summenleistung beträgt 305 GW, also nahezu das Vierfache der Spitzenlast.

 

4. Einzeluntersuchungen

4.1. Grunddaten einer 100%-Versorgung mit intermittierenden Quellen

Die Werte einer 100%-Versorgung mit intermittierenden Quellen sind in Abb. 1 dargestellt. Unter optimalen Mix-Bedingungen ergeben sich:

Tabelle 1. Spezifikation einer 100%-Versorgung unter den Bedingungen des optimalen Mix. flh: Volllaststunden; cf: Kapazitätsfaktor.

Energie (TWh) Installierte Leistung
bzw. Spitzenlast (GW)
flh (h) cf
Reduzierte Last 500 83 6020 0.69
Won 271 175 1543 0.18
Woff 135 33 4134 0.47
PV 94 97 971 0.11
Back-up 131 73 1795 0.20
Überschuss 131

Die Zahlen zeigen, dass bei Erreichung des 100% Zieles für Wind- und Sonnenstrom von deren Stromerzeugung in Höhe von 500 TWh 131 TWh (26%) als Überschuss verloren gehen, wobei die gleiche Strommenge zu anderen Zeiten vom Back-up-System geliefert werden muss. Die für den 100%-Ausbau notwendige installierte Leistung von 305 GW bedeutet eine nahezu Vervierfachung des Ausbaus von Windkraft und PV über die in Deutschland 2014 schon erreichten 80 GW, die bereits etwa der Jahresspitzenlast ent­sprechen. Es zeigt sich auch, dass das Back-up-System mit 73 GW ca. 88% der Jahres­spitzenlast (83 GW) abdecken muss: von den Bedingungen im Jahr 2012 extrapoliert werden sich durch den Ausbau von Wind- und Sonnenstrom auf fast das Vierfache der Spitzenlast nur 12% der konventionellen Stromerzeugungskapazität einsparen lassen, solange es keine großtechnischen Stromspeicher gibt. Als Konsequenz müssen zwei hinsichtlich Technik, Brennstoffbedarf, Zentralisierungsgrad, Regelfähigkeit, usw. ganz unterschiedliche Systeme gemeinsam betrieben und finanziert werden. Die Wind und PV Technologie liefert angebots­orientiert Strom ohne Liefergarantie, das Back-up System füllt Nachfragelücken mit abrufbarem Strom[14], hinzu kommt möglicherweise noch ein drittes System für die Verwendung des Überschussstroms.

Das technische Problem bei der Nutzung von EE liegt in der Handhabung der hohen Leistungen, das wirtschaftliche Problem in den geringen Kapazitätsfaktoren für den Anlagen­betrieb. Das ist insbesondere ein Problem für das Back-up-System, das mit seinen höheren Betriebskosten bei einem Kapazitätsfaktor von 20% wohl nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. Dieser Umstand zeichnet sich 2014/15 schon deutlich ab[15].

Abb. 4. Leistungswerte für den Verbrauch (schwarz) und das Back-up-System in den letzten 8 Wochen des Jahres 2012 (6.11.-31.12.). Der Kreis verdeutlicht die Spitzenleistung des Back-up-Systems in dieser Periode.

4.2. Betrieb des Back-up-Systems

Abb. 4 zeigt die Last (schwarz) für die letzten neun Wochen des Jahres 2012 zusammen mit den Leistungsbeiträgen des Back-up-Systems (rot) für den optimierten 100%-Fall. Es wechseln sich Produktionsperioden ab mit Mangelperioden, in denen das Back-up-System einspringen muss. Die Spitzenleistung des Back-up-Systems lag am Donnerstag der 2. Woche in Abb. 4 nahe der Spitzenlast (mit Kreis markiert). Dies zeigt, wie gering die Einspar­möglichkeiten sind trotz der auf hohe Leistung ausgebauten EE. In den Weihnachtswochen dagegen ist kaum Bedarf an Back-up Leistung.

Die Leistungsdynamik des Back-up-Betriebs hat sich geändert und reicht nun von Null (kein Betrieb) bis nahe an die Spitzenlast und nicht mehr vom Niveau der Grundlast bis zur Spitzenlast.

Abb. 5 zeigt die Dynamik, der das Back-up-System ausgesetzt ist, im Detail. Aufgetragen ist die Häufigkeitsverteilung der positiven und negativen Leistungsgradienten für den optimierten 100%-Fall im Vergleich zu den Gradienten der Last. Die Klassenbreite beträgt 2 MW/h. Die kritischen Leistungsgradienten erhöhen sich deutlich. Werte um die 20 GW/h verlangen einen kohärenten Betrieb vieler Kraftwerke, die alle für einen Warmstart bereit stehen müssen. Zum Vergleich: Der Leistungsgradient, der am 20.3.2015 während der partiellen Sonnenfinsternis für kurze Zeit auftrat, betrug etwa 20 GW/h[16]. Vorgänge dieser Güte sind im 100%-Fall etwa 100-mal im Jahr zu erwarten, allerdings von geringer Prognose­sicherheit bezüglich der Zeitpunkte begleitet.

Abb. 5. Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2012 für positive und negative

Leistungssprünge von Last und Back-up-System bei einer 100%-Versorgung mit EE unter optimalen Mix-Bedingungen.

Der Betrieb der Back-up-Kraftwerke muss sich der intermittierenden Stromerzeugung anpassen, was den Verschleiß dieser Kraftwerke deutlich erhöht und damit zusätzliche Wartungs- und Betriebskosten bedingt, die letztlich dem Verbraucher zufallen werden.

Abb. 6. Aufgetragen ist die Leistung von Last (schwarz), Back-up-System (rot) und Überschuss (blau, negativ) für die Zeit von 9.1. bis 12.2.2012. Die Flächen stellen die überschüssigen bzw. fehlenden Strommengen dar. Die jeweiligen Perioden sind gekennzeichnet. Zum Vergleich: Das grüne Rechteck oben rechts stellt die Speicherkapazität der derzeitigen in Deutschland laufenden Pumpspeicherkraftwerke in Leistung (' 8 GW) und Dauer ('6 h) pro Ladezyklus dar.

4.3. Stromspeicherkapazität

Eine CO2-freie Versorgung mit EE ist ohne Stromspeicher kaum möglich. Im Idealfall würden ausreichend große Speicher Strom bei Überschuss aufnehmen und bei Unterdeckung wieder abgeben und damit ein (fossiles) Back-up-System überflüssig machen. Am Beispiel der Zeitreihen von Abb. 6, aufgenommen von Montag, dem 9.1. bis Sonntag, dem 12. 2. 2012, lässt sich die Größenordnung der nötigen Speicherkapazität abschätzen. Aufgetragen sind in schwarz die reduzierte Last, in rot die Back-up-Leistungen und in blau die (negativen) Überschussleistungen. In den Überschussperioden würde der Speicher geladen, in den Back­up-Perioden entleert.

Die erste längere Speicherphase (hellblau unterlegt) dauert 66 h und füllt den Speicher mit 3,7 TWh. In der sich anschließenden Mangelperiode (rosa unterlegt) wird der Speicher innerhalb von 90 h um 3,5 TWh entleert. In dieser Weise setzen sich die Speicheraktionen fort, bis der Speicher am Ende der 4. Entnahmephase (rosa unterlegt) leer ist. Die Mangelperiode setzt sich aber für weitere 181 h fort und verlangt 7,1 TWh. Daraus ergibt sich die erforderliche Größe des Speichers. Will man über das ganze Jahr hinweg Mangelperioden vermeiden, muss die Speicherkapazität auf Basis der Daten von 2012 rechnerisch 33 TWh betragen.

Wie Abb. 7 zeigt, ist der Zusammenhang zwischen verbleibender Back-up-Energie und Speichergröße von hyperbolischer Form. Diese beiden Größen sind jeweils gegen den Jahres­verbrauch normiert aufgetragen. Wenig Speicherkapazität zeigt bereits eine große Wirkung, während der Zubau weiterer Speicherkapazitäten nur noch geringere Auswirkungen auf die Back-up Energie hat. Ein solcher Zusammenhang verlangt nach differenzierten Lösungen, die aus einer Mischung von gezielter Abschaltung von Quellen, Stromimport und Nutzung von Gaskraftwerken als Back-up-Technik bestehen können. Die Wirkung von Tages-, Wochen-, und Monatsspeichern auf die verbliebene Back-up-Ausstattung ist ebenfalls in Abb. 7 einge­tragen zusammen mit einem hypothetischen Stromspeicher, den alle PKW auf deutschen Straßen (40 Millionen) – mit Tesla Model S-Batterien (85 kWh) ausgestattet – ergeben würden.

Abb. 7. Erforderliche Back-up-Energie, aufgetragen gegen verfügbare Speicher­kapazität jeweils normiert auf die Last. Die Wirkungen der derzeit (2012) vorhandenen Kapazität sowie der eines Tages-, Wochen, Monats- und Jahresspeicher sowie aller PKW in Deutschland, ausgestattet mit Tesla Model S-Batterien, sind angedeutet.

Der Effekt der derzeit in Deutschland vorhandenen Pumpspeicherwerke mit insgesamt etwa 8 GW und 50 GWh ist ebenfalls im Abb. 7 („Situation 2012“) zu sehen. Die Größenordnung des Bedarfs zeigt, dass neue Technologien notwendig werden. In Frage kommen wohl nur chemische Speicher, die aber noch Jahrzehnte der Entwicklung brauchen ehe sie im Rahmen einer chemischen Großindustrie aufgebaut und eingesetzt werden können. Da diese Speicher vom Überschussstrom versorgt werden, muss die Eingangsstufe Spitzenleistungen handhaben können – aber immer nur dann, wenn der Strom im Netz keine primäre Verwendung findet. Über alle Kapazitäten hinweg ist der Betrieb solch leistungsstarker Speicher aufgrund ihres geringen Umsatzes nicht wirtschaftlich[17]. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt sich bei den Pumpspeicherkraftwerken schon heute.

4.4. Die Möglichkeiten der Lastverschiebung

Das Konzept der Lastverschiebung sieht vor, den Stromverbrauch in Perioden mit größerem Stromangebot bzw. geringeren Stromkosten zu verlagern also von einer verbrauchs­orientierten hin zu einer angebotsorientierten Stromversorgung. Die Aufladung von Nachtstromspeicherheizungen ist ein klassisches Beispiel, bei dem die geringeren Strom­kosten während der Nacht, wenn die Last insgesamt niedriger ist, genutzt werden.

Auch wenn dieses Konzept einmal greifen sollte, wird das Wirtschafts- und Erwerbsleben, soweit dabei Menschen direkt involviert sind, weiterhin vom natürlichen Tag-Nacht­Rhythmus bestimmt bleiben. Deshalb kann man sich einen groben Überblick über die Möglichkeiten und Konsequenzen dieses Konzept machen, wenn man die Tagesverläufe von Strombedarf, Überschuss und Back-up-Leistung jahresgemittelt betrachtet. Alleine schon die heutigen Erfahrungen lassen erwarten, dass der Strompreis zu Überschusszeiten sinken wird.

Abb. 8. Gemittelte Tagesleistungen der Last, des Back-up-Systems und des Überschusses für den 100%-Fall einmal im optimalen Mix (a) und mit dem PV-Beitrag durch Wind ersetzt (b).

Abb. 8 zeigt den gemittelten Verlauf dieser drei Größen. Anders als oft erwartet, fällt der Stromüberschuss nicht wie in der Vergangenheit nachts sondern während des Tages an.

Ursache sind die PV-Erträge, die bereits heute zur Absenkung der Spot-Markt-Preise um die Mittagszeit führen. In längerer Perspektive würden sich somit die wirtschaftlichen Aktivitäten am Tag, in denen sie schon heute ausgeprägt sind, weiter intensivieren und so die bestehende Infrastruktur zusätzlich belasten. Dies wäre stärker im Sommer der Fall als im Winter. Würde man den PV-Anteil durch Wind ersetzten– wozu Abb. 2a geradezu auffordert – dann stellen sich die erwarteten Verhältnisse mit Überschussstrom bevorzugt in der Nacht ein (siehe Abb. 8b).

Als Konsequenz des Konzepts der Lastverschiebung ist zu erwarten, dass sich die wirtschaft­lichen Aktivitäten in die Wochenenden hinein ausdehnen werden. Abb. 9 zeigt – über das Jahr gemittelt – den bisherigen Stromverbrauch während einer Woche mit höheren Verbrauchswerten an den Werktagen und geringeren am Wochenende. Bei identischem Tag­Nachtzyklus und gleichem Gesamtverbrauch ergibt sich die rote Lastkurve, die nun nicht mehr zwischen Woche und Wochenende unterscheidet. Eine derartige Lastverschiebung hinein in die Wochenenden erlaubt, das Angebot der EE um zusätzliche 7,5 TWh zu nutzen, die Spitzenlast von 83 GW auf 71 GW und den erforderlichen Back-up-Beitrag von 131 TWh auf 123 TWh zu senken.

Abb. 9. Dargestellt ist der Lastverlauf an den einzelnen Tagen der Woche, gemittelt über das Jahr und in rot, wenn zwischen Werktagen und Wochenenden nicht unterschieden wird. Der Jahresverbrauch ist für beide Fälle gleich.

4.5. Spezifische CO2-Entwicklung in Deutschland mit EE

Das hauptsächliche Motiv für die Nutzung der EE ist die Vermeidung der CO2-Emission. In Abb. 10 ist die spezifische CO2-Emission, die mit der Stromerzeugung verbunden ist, gegen den Anteil an EE aufgetragen. Die durchgezogenen Kurven ergeben sich aus den Back-up­Anteilen, die bei der Nutzung intermittierender Quellen erforderlich sind – einmal für den Fall, dass die Technologien hinter dem Back-up-System dem derzeitigen Mix fossiler Brenn­stoffe in Deutschland entsprechen (schwarze Kurve, el,Mix =0,874 kg CO2/kWh ) und zum anderen für den Fall, dass ausschließlich Gas (blaue Kurve, el,Gas =0,411 kg CO2/kWh) zum Einsatz käme. Die Werte beim 100%-Anteil der EE entsprechen den Jahresbeiträgen des Back-up-Systems im optimalen Mix Fall. Es ergibt sich: der Austausch von Kohle, wie in Deutschland genutzt, durch Gas hat die gleiche Wirkung wie der Umbau des Versorgungs­systems auf etwa 50% EE (siehe rote Linien in Abb. 10).

Abb. 10. Aufgetragen ist die spezifische CO2-Emission gegen den Anteil der gesamten EE in den verschiedenen Ländern (Situation 2012). Die Kurven gelten für Deutschland zum einen, wenn die gesamte thermische Produktion durch den gegenwärtigen Brennstoff-Mix (schwarz, durchgezogen), zum anderen ausschließlich durch Gas (blau, gestrichelt) erzeugt würde. Die roten Linien verdeutlichen den Effekt, wenn der derzeitige Brennstoff-Mix durch Gas ersetzt würde.

In Abb. 10 sind ferner die spezifischen CO2-Emissionen anderer Länder aufgetragen entsprechend dem Ausbau mit EE, aber nun unter Einbeziehung aller EE-Formen. Die einzelnen Länder sind mit ihren Länderkürzeln gekennzeichnet. Aufgrund des 2012 noch bestehenden CO2-freien Beitrags der Kernenergie liegt der Datenpunkt für Deutschland unter der schwarzen Kurve. Die breite Streuung der Datenpunkte spiegelt die unterschiedlichen Stromerzeugungstechniken (z.B. Wasserkraft in Norwegen, Kohle in Polen) wieder. Auch der sehr unterschiedliche Ausbaustand der EE in Europa wird sichtbar.

4.6. Mögliche Grenze für den Beitrag intermittierender Stromquellen

Von besonderer Bedeutung ist die unterschiedliche Höhe der spezifischen CO2-Emission in Ländern, die Strom vornehmlich durch eine Mischung aus Wasser- und Kernkraft erzeugen, im Vergleich zu denen, die auch fossile Brennstoffe einsetzen. Die spezifischen Emissions­werte von Frankreich, der Schweiz, Norwegen und Schweden sind bereits dort, wo Deutsch­land nach 2050 sein will[18]. Diese kann Deutschland auf dem Zeithorizont 2050 nur in der Kombination von EE mit Speichern erreichen; ein Speicher von 5 TWh würde z.B. die im 100%-Fall verbliebene Emission etwa halbieren.

Abb. 11 zeigt den Verlauf der gesamten produzierten Strommenge gegen die gesamte installierte EE-Leistung (hier wie stets im optimalen Mix) (blau), die Back-up- (schwarz) und Überschuss-Energie (rot) sowie, auf der rechten Ordinate, den Ausbau der erforderlichen Netzleistung. Hier wird angenommen, dass die produzierte Strommenge linear mit der installierten Kapazität ansteigt. Es wird ignoriert, dass trotz Repowering beim weiteren Aus­bau der EE auch ungünstigere Lagen (geringere Kapazitätsfaktoren) akzeptiert werden müssen. Die erforderliche Back-up-Energie sinkt mit dem Ausbau der EE und entspricht der Überschuss-Energie, sobald der 100%-Fall erreicht ist. Überschuss-Energie und erforderliche Netzleistungskapazität beginnen bei einem Ausbau der EE über etwa 100 GW zu steigen, da das Netz und die Last die Spitzen der EE-Leistung nicht mehr aufnehmen können. Dies verstärkt die technischen Probleme in der Handhabung intermittierender Stromquellen. Der Überschussstrom führt auch wirtschaftlich zu Problemen, wie sich schon heute an negativen Strompreisen in Überschussperioden abzeichnet [Wagner, 2014][19]. Dies trifft besonders den Betrieb der notwendigen Back-up Kraftwerke.

Abb. 11. Aufgetragen sind die produzierte EE-Jahresgesamtenergie, der Back-up­Beitrag, der Überschuss und (rechts) die erforderliche Netzleistungskapazität gegen die installierte EE-Leistung.

Abb. 11 verdeutlicht, dass – solange keine großskalige Speicherung existiert – die Grenze für einen sinnvollen Ausbau der intermittierenden Quellen bei etwa 40% des Verbrauchs liegt. Jenseits dieses Werts steigen die erforderliche Netzleistungskapazität und der Überschussstrom signifikant an. Abb. 10 zeigt, dass der Austausch von Kohle- durch Gasverbrennung zu einer stärkeren CO2-Minderung führen würde als der EE-Ausbau bis hin zu einem 40%-Beitrag zum Jahresstrombedarf.

4.7. Bedingungen für eine ausschließliche Stromversorgung mit EE

Eine vollständige Stromversorgung mit EE ist ohne ausreichende Speicher nur möglich, wenn die Glättung der intermittierenden Beiträge über regelbare EE wie z.B. die Verstromung von Biomasse erfolgt bzw. aus EE-Stromimport – im günstigsten Falle in abrufbarer Form. Da für diese Back-up Formen absolute Grenzen bestehen, würden mögliche Verbrauchs­reduzierungen wie Einspar- und Effizienzverbesserungen das Problem verringern.

Abb. 12 stellt den Zusammenhang der Größen dar, die für eine vollständige EE-Versorgung entscheidend sind: Jahresstrommenge aus intermittierenden Quellen (normiert auf den jeweiligen Jahresverbrauch), Einsparung sowie als Scharparameter der Beitrag der Biomasse. Soll die gesamte erzeugte EE auch verbraucht werden (EE-Erzeugung/Verbrauch = 1), dann müsste – mit der heutigen Biomasse-Verstromung von 40 TWh – der Verbrauch auf ~ 1/3 absinken, bei verdoppeltem oder verdreifachtem regelbarem Biostromanteil auf 60% bzw. 90%. Entsprechend sänke die EE-Produktion bezogen auf den zuvor betrachteten 100% optimalen Mix-Fall. Akzeptiert man Überschussstrom, lässt sich die Verbrauchsabsenkung verringern, allerdings erhöht sich der Überschussstrom; die senkrechten Balken in Abb. 12 markieren die Grenze mit einer Überschussproduktion von 50% des jeweiligen Verbrauchs.

Ob zukünftig noch größere Strommengen aus Biomasse als heute nachhaltig bereitgestellt werden können, ist fraglich [20].

Abb. 12. Energie der EE, aufgetragen gegen den Faktor, auf den der Verbrauch im Vergleich zu 2012 reduziert werden muss. An den senkrechten Balken beträgt die Überschussproduktion 50% des jeweiligen Verbrauchs.

4.8. Der Nutzen einer europaweiten Versorgung mit EE

Eine EE-Nutzung in einem europaweiten System, sollte ein niedrigeres Fluktuationsniveau und eine bessere Anpassung der Jahresdauerkurve der Versorgung an den Verbrauch ergeben. Ausgangspunkt ist zunächst die nationale Nutzung entsprechend der (durchschnittlichen) 100% EE Abdeckung der reduzierten Last im optimalen Mix, der bei 80% Wind und 20% PV für alle untersuchten Länder liegt (Abb. 2a). Im Folgenden wird die Versorgung über das nationale EE-Feld verglichen mit der durch das europäische EE-Feld, das sich aus der Summation der nationalen Beiträge[21] ergibt [22].

Abb. 13 zeigt die Jahresdauerkurven von PV, Wind und Last in Deutschland, einmal produziert mit dem nationalen EE- und einmal mit dem europäischen EE-Feld. Produktion und Bedarf sind jeweils auf 1 TWh normiert. Die deutschen Werte sind als gestrichelte, die aus dem europäischen EE-Feld gewonnenen als durchgezogene Kurven aufgetragen.

Wie der Vergleich zeigt, sind die Lastkurven Deutschlands und Europas identisch; auch die PV-Jahresdauerkurven unterscheiden sich nur geringfügig, jedoch diejenigen für Wind deutlich, wobei die für Europa sich der Lastkurve erkennbar besser anpasst als die deutsche. Es ist also der Wind und nicht die PV, derentwegen ein koordiniertes europaweites EE­Erzeugungssystem von Nutzen wäre.

Abb. 13. Jahresdauerkurven von Last, Wind und PV des deutschen (gestrichelt) und deseuropäischen (durchgezogen) EE-Feld. Die Energie ist jeweils auf 1 TWh normiert.

In der Summe hat Europa einen Strombedarf von 3179 TWh, der mit 496 TWh durch Wasserkraft abgedeckt ist. Mit den Annahmen, wie sie hier für Deutschland getroffen wurden, wäre in Europa die Installation von 819 GW Wind onshore nötig, 128 GW Wind offshore und 325 GW PV-Leistung. Der gesamte Jahresüberschuss beliefe sich dann auf 625 TWh[5]. Die Back-up-Energie reduzierte sich im Verbund um 24%, die maximale Back-up-Leistung um 9%, die maximale Überschussleistung um 15%, die maximale Netzleistung um 7%, das typische Fluktuationsniveau um 35% und die maximal erforderliche Speicherkapazität um 28%. Diese Einsparungen sind erheblich. Für Deutschland verringert sich der Überschuss von 26% auf 19.4% der jährlichen Wind und PV Produktion.

Abb. 14 zeigt die räumliche Windverteilung über Europa anhand der Korrelationkoeffizienten zwischen dem deutschen Winddatensatz und dem der jeweiligen benachbarten Länder, die mit wachsender Entfernung von Deutschland absinken und für Deutschland-Spanien oder Deutschland-Irland keine signifikante Korrelation mehr aufweisen.

Abb. 14. Korrelationskoeffizienten der Winddaten Deutschlands und der europäischen Nachbarländer in 2012. Der Autokorrelationskoeffizient von Deutschland (blau) entspricht eins. (Die Europakarte ist dem Internet entnommen).

Dieser Umstand drückt sich in der Struktur der Überschussproduktion aus. In Abb. 15 ist diese als blauer Balken für die einzelnen Länder normiert dargestellt (für die absoluten Werte siehe [5] ). Rote Balken stellen den aus deutscher Sicht „nützlichen“ Überschuss dar, der zu Zeiten anfällt, in denen Deutschland Mangel an EE-Versorgung hat und der deshalb den Einsatz der deutschen Back-up-Versorgung reduzieren würde. Dieser Effekt wächst mit zunehmender Entfernung zu Deutschland. Umgekehrt gehen die Zeiträume mit Überschuss­strom in Deutschland einher mit Überschussproduktion auch in den unmittelbar benachbarten Ländern. Dies erschwert die wirtschaftliche Nutzung des Überschussstrom-Angebots und wird dazu führen, dass zu günstigen Wind- und PV-Zeiten in einem europäischen System relativ mehr Anlagen aus der Produktion genommen werden müssen[23].

Abb. 15. Der Überschuss ist für jedes Land normiert als blauer Balken dargestellt sowie, in Hinblick auf Deutschland, der „nützliche“ Anteil am Überschuss (rot).

Den hier angestellten Überlegungen liegt das sog. Kupferplattenmodell (d.h. unbegrenzte Interkonnektoren- und Netzkapazität) zugrunde, das Gleichgewichtssituationen beschreibt und allen Teilnehmern unmittelbare Nutzung der gemeinsamen EE-Einspeisung ermöglicht.

Abb. 16 zeigt, dass ein beachtlicher Ausbau notwendig wäre, der weit über den von der Europäischen Kommission empfohlenen Richtwert von 10% der jeweiligen nationalen Produktionskapazität hinausgeht. Ob sich ein solcher Ausbau für alle Länder lohnt, ist zweifelhaft[24], da nicht alle europäischen Länder im gleichen Maße vom Ersatz des nationalen durch das europäische EE Feld profitieren werden [6]; der Einbau sog. Phasenschieber in den Leitungen von Deutschland insbesondere nach Polen und Tschechien beabsichtigt im Gegenteil[25], den Stromfluss über nationale Grenzen hinweg künftig stärker zu begrenzen.

Abb. 16. Erforderliche und gegenwärtige Interkonnektorenkapazität (Leistung) der verschiedenen Länder.

Wie in Deutschland erfordert die nationale EE-Nutzung in den meisten Ländern die Strom­verteilung mit von Norden nach Süden ausgerichteten Trassen. Ein europäischer Verbund würde zusätzlich Ost-West-orientierte Verbindungen verlangen, was hinsichtlich Kosten und Akzeptanz zusätzliche Probleme aufwerfen wird[26].

4.9. Strompreise in der Aufbauphase

Die Endverbraucher-Stromkosten europäischer Länder und der USA (Abb. 17) zeigen eine klare Korrelation mit dem auf die Einwohnerzahl bezogenen Ausbaugrad von inter­mittierender EE-Stromversorgung. Bemerkenswert an dieser Abhängigkeit ist zunächst, dass für Deutschland der gegenwärtige (2014) Ausbauzustand bei etwa 800 W/capita liegt, allerdings für den 100%-Fall im optimalen Mix auf nahezu 4000 W/capita ansteigen wird. Auch wenn sich die in Abb. 17 gezeigte Relation nicht linear fortsetzen wird, wird doch die Größenordnung des Effekts des geplanten Ausbaus auf den Strompreis deutlich.

Der Ländervergleich der Stromkosten in Abb. 17 zeigt auch den Preisunterschied zu den USA, der ähnlich auch für die Industrie zutrifft. Während sich der Preis für Industriestrom in Deutschland von 2005 bis 2013 mehr als verdoppelt hat, ist er in den USA nur um knapp 50% angestiegen. Er war 2013 um den Faktor 2,5 geringer als in Deutschland[27]. Das ist ein erheblicher Unterschied bei einem für die Wirtschaft wichtigen Kostenfaktor[28].

Abb. 17. Endverbraucher-Strompreis als Funktion der installierten Wind- und PV­Leistung per capita der jeweiligen Länder; für Deutschland und Dänemark ist zusätzlich die Entwicklung über den Zeitraum des EE-Aufbaus dargestellt. Daten von 2012 nach Finadvice[30].

 

5. Schlussfolgerungen

Solange keine geeignete Speichertechnologie zur Verfügung steht, ist die Energiewende nicht ein Austausch von Technologien sondern die Ergänzung der fossilen Versorgung. Es ist zweifelhaft, ob der Strombedarf im Mittel zu 100% mit EE befriedigt werden kann. Ebenso zweifelhaft ist, ob sich großtechnische Speicher im Netz wegen der geringen Jahresnutzung wirtschaftlich betreiben lassen werden. Daher scheint eine breite Entwicklung solcher Systeme fragwürdig. Der direkt ins Netz eingespeiste PV-Beitrag könnte mit gleichem Nutzen für die CO2-Bilanz kostengünstiger durch Wind ersetzt werden und es ließen sich die technischen und wirtschaftlichen Probleme der zukünftigen Stromüberproduktion durch PV während der Tagesstunden vermeiden. (Eine andere Schlussfolgerung ergibt sich, falls, möglicherweise als Folge der klimabedingten Temperaturerhöhungen, Büro- und Privaträume auch in Deutschland überwiegend klimatisiert werden[29].)

Wiewohl ein europaweit koordinierter Ausbau des Netzes die nationale Nutzung inter­mittierender Stromproduktion erleichtern würde, scheint diese Entwicklung fraglich, da Länder, deren Stromerzeugung bereits praktisch CO2-frei ist, diese Qualität zugunsten eines Versorgungsparks aufgeben müssten, der unverzichtbar für absehbare Zeit fossile Kraftwerke enthalten würde[30]? Die Reaktionen der Nachbarländer Deutschlands auf die deutsche Energiewende sind gespalten, wie Maßnahmen zur Netzabblockung und am Strommarkt die Beurteilung der Kosten zeigen[31]. Die Energiewende wird vielfach nicht als optimales Modell für andere betrachtet[32] [33].

Die Notwendigkeit einer weltweiten CO2-armen oder -freien Energieversorgung ist unbe­stritten. Deutschlands forcierte und auf die Stromerzeugung fokussierte Energiewende soll diesem Ziel dienen. Sie kann kritisiert werden angesichts ihrer massiven und kostspieligen Konzentration auf fluktuierende Erzeugungstechniken, selektiv auf einzelne Technologien hin orientierten Förderung mit fehlenden Anreizen zu Innovation[34], der Form der Subventio­nierung mit sozial ungünstigen Folgen und Mitnahmeeffekten und letztlich aufgrund des Verlusts an Kulturlandschaft. Die vorliegende Analyse zeigt ferner, dass ein weiterer massiver Ausbau von PV und Wind nur mit einer Speicherung des Überschussstroms sinnvoll ist, für die noch keine technologische Realisierung absehbar ist.

So wenig es in der Vergangenheit möglich war, technologische Umwälzungen langfristig vorherzusagen, so wenig besteht Anlass, für die kommenden Jahrzehnte mit sichereren Prognosen zu rechnen. Daher gilt es, die Risiken zu streuen und alle Optionen offenzuhalten. Angesichts der offensichtlichen Nachteile und Einschränkungen eines Versorgungskonzeptes basierend auf vornehmlich fluktuierender Stromproduktion bei niedrigen Leistungsdichten stellt sich die Frage nach einem langfristig nachhaltigen und wirtschaftlich optimalen System. Die Antwort kann nur Forschung und Entwicklung liefern, die in engem Bezug zur Grund­lagenforschung technologieoffen organisiert ist.

 


Begleitreferenz

Wagner Friedrich (2015). Eigenschaften einer Stromversorgung mit intermittierenden Quellen, in H. Bruhns, ed. Energie, Erzeugung – Netze – Nutzung. Bad Honnef (De) : Arbeitskreis Energie in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. pp. 138-155. (Vorträge auf der DPG-Frühjahrstagung in Berlin) Einsehbar auf http://dpg-physik.de/veroeffentlichung/ake-tagungsband.html [Konsultiert am 16. Sept 2016].

Fußnoten und referenzen

[1] Zum Vergleich: Der Gesamtetat des Bundes für Forschung und Entwicklung beträgt ca. 14,9 Mrd € (2015); davon entfallen auf Energieforschung ca. 5-6%. (http://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/Tabelle-1.1.4.html  (Zahlen für 2015) und http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Energiedaten-und­analysen/Energiedaten/energieforschung.html, [abgerufen 6. Juli 2015]

[2] Auf das Jahr 2012 konzentrieren sich die folgenden Untersuchungen.

[3] Wagner Friedrich (2015). Electricity generation by intermittent sources, European Physical Journal Web of Conferences, vol. 98, pp. 143-168 Available on  http://epjwoc.epj.org/articles/epjconf/abs/2015/17/contents/contents.html [Accessed on 16 Sept. 2016]

[4] ENTSO-E country package: https://www.entsoe.eu/data/data-portal/country-packages/
www.50hertz.com/  ,  www.tennet.eu/de/home.html  ,  www.amprion.net/  ,  www.transnetbw.de/  ,  Daten europäischer Länder: http://www.pfbach.dk/

[5] Für Tschechien liegen Last, Wind- und PV-Leistungsdaten mit einer Auflösung von 1 min vor. Der Vergleich der Originaldaten mit geglätteten Daten zeigt, dass der optimale Mix zwischen Wind und PV (s. Kap. 3) sowie die Auslegungsdaten für den 100%-Fall selbst bei einer Mittelung über eine Stunde weitgehend korrekt wieder­gegeben werden; Wind-Leistungsspitzen liegen mit der Auflösung von 1 h typisch um 7% zu niedrig; die realistische Bestimmung der Leistungsgradienten des Back-up-Systems braucht jedoch eine erhöhte Auflösung.

[6] Wagner Friedrich (2012). Eigenschaften einer Stromversorgung mit variable Einspeisung. Features of an electricity supply system based on variable input. Greifswald (DE): Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP).   (English, Zusammenfassung auf Deutsch). 49 p. (IPP Report 18/1) Einsehbar auf  http://hdl.handle.net/11858/00-001M-0000-0026-E63C-1 [Konsultiert am 16. Sept 2016]

[7] Grand Dominique, Le Brun Christian, Vidil Roland (2015). Intermittence des énergies renouvelables et insertion dans le mix électrique: Exemples de la France et de l’Allemagne. Techniques de l’Ingénieur, IN301, Disponible sur : http://www.techniques-ingenieur.fr/base-documentaire/energies-th4/conversion-et-transport-d-energie-42206210/intermittence-des-energies-renouvelables-et-mix-electrique-in301/ [consulté le 16/09/2016]

[8] Romanelli Francesco (2015). Impact of intermittent energy sources on the electricity production in Italy. Energy Science Technology conference. 20-22/05. Karlsruhe Institute of Technology (Poster 1.09-2)

[9] Keilhacker Martin und Bruhns Hardo. (Gesamtredaktion) (2010). Elektrizität: Schlüssel zu einem nachhaltigen und klimaverträglichen Energiesystem. Bad Honnef: Deutschen Phys. Gesellschaft. 143 S. http://www.studien.dpg-physik.de  (open access)

[10] Wenn im Folgenden von „Last“ gesprochen wird, ist stets diese reduzierte Last gemeint.

[11] Siehe z.B. die Deckelung des PV-Ausbaus auf 52 GW im Rahmen der Neufassung des Erneuerbare-Energien­Gesetzes vom Juni 2012.

[12] Onshore-Wind: flh typisch 1700 h; Offshore-Wind: typisch 4400 h.

[13] Um aus den Leistungsdaten die zu installierende Leistung zu ermitteln, ist außerdem die räumliche Verteilung der Quellen in Deutschland zu berücksichtigen. Nicht zeitgleich und nicht an jedem Ort produzieren die Strom­quellen mit ihrer Nennleistung. Der maximale Leistungswert in der Datenbank beträgt für 2012 von der jeweiligen installierten Leistung: 83% für Won, 100% für Woff und 81% für PV.

[14] Daher ist es unverständlich, neben dem Kernenergieausstieg auch den schnellen Ausstieg aus der Kohle zu fordern (ohne Ersatz durch Gas).

[15] Das modernste Gaskraftwerk Europas, Irsching in Bayern, will der Betreiber EON wegen Unwirtschaftlichkeit schon seit längerem vom Netz nehmen.

[16]https://pvspeicher.htw-berlin.de/wp-content/uploads/2014/10/HTW-Berlin-Studie-Einfluss-der-Sonnenfinsternis-im-M%C3%A4rz-2015-auf-die-Solarstromerzeugung-in-Deutschland.pdf

[17] Hinzu kommt die preissteigernde Wirkung von Verlusten und Umwandlungseffizienzen. Der gesamte

Wirkungsgrad – ausgehend vom Überschussstrom über die elektrochemische Produktion von Wasserstoff zurück zum Strom oder, als weiteren Zwischenschritt, über die Methanisierung zum Strom – wird zur Folge haben, dass der Preis für den aus dem Speicher rückgewandelte Strom um einen Faktor 2 bis 4 höher sein wird als der für den ursprünglichen Strom [Pütter H. (2013) Die Zukunft der Stromspeicherung, in H. Bruhns Herausgeber. Energie – Technologie und Energiewirtschaft. Bad Honnef(DE) : Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. pp. 75-86. (Vorträge auf der Dresdner DPG-Tagung,2013). Einsehbar auf https://www.dpg-physik.de/veroeffentlichung/ake-tagungsband.html [Konsultiert am 16. Sept.2016]. Es ist deshalb fraglich, ob Investitionen in diese Technologie überhaupt sinnvoll sind.

[18] Die vermehrte Nutzung der EE in Deutschland hat zunächst zu einer Erhöhung der spezifischen CO2- Emissionen geführt. Grund ist angesichts der Abnahme der Volllaststunden konventioneller Kraftwerke die aus wirtschaftlichen Erwägungen bevorzugte Nutzung von Braunkohle.

[19] Wagner Friedrich (2014). Electricity by intermittent sources: An analysis based on the German situation 2012, European Physical Journal Plus 02/2014; 129(2) 29p. Einsehbar auf http://link.springer.com/article/10.1140/epjp/i2014-14020-8  [Konsultiert am 16. Sept 2016]

[20] Dr. Anton Christian and  Dr. Steinicke henning (2012). Statement: Bioenergy – Chances and Limits. Halle­ (Saale, De): German National Academy of Sciences Leopoldina 118p. Einsehbar auf https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/201207_Stellungnahme_Bioenergie_LAY_en_final_01.pdf [Konsultiert am 16. Sept 2016]

[21] Für das Jahr 2012 liegen Daten mit einer Auflösung von einer Stunde von folgenden Ländern vor: Deutschland (Wind, PV), Dänemark (Wind), Tschechien (Wind, PV), Frankreich (Wind, PV), Belgien (Wind), Großbritannien (Wind), Irland (Wind), Spanien (Wind, PV).

[22] Wagner Friedrich (2014). Considerations for an EU-Wide use of renewable energies for electricity generation. Eur. Phys. J. Plus vol.129, n°10. Einsehbar auf http://link.springer.com/article/10.1140/epjp/i2014-14219-7 [Konsultiert am 16. Sept 2016]

[23] Im Bereich von 50Hertz (Hamburg und ehem. DDR-Gebiete) wurden 2013 11% und 2014 13% der gewinnbaren Energie durch aktives Abschalten von Windkraftanlagen nicht erzeugt. Daten von [http://www.50hertz.com/de/Kennzahlen/Netzbelastung].

[24] http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.463023.de/dp1378.pdf.

[25] Boldis Z. (2013). Czech electricity grid challenged by German wind. Europhysics News. Vol.44, n°4, p.16-18. Einsehbar auf http://www.europhysicsnews.org/articles/epn/pdf/2013/04/epn2013-44-4.pdf [Konsultiert am 16. Sept. 2016]

[26] In Deutschland scheint es derzeit nicht möglich, eine neue Verbindung zwischen Thüringen und Bayern fristgerecht aufzubauen.

[27] https://www.gov.uk/government/statistical-data-sets/international-industrial-energy-prices

[28] Laut FAZ vom 25.10.2013 könnte die BASF mehr als 500 Mill € an Energieausgaben einsparen, wenn ihr Werk nicht in Ludwigshafen sondern in den USA stünde.

[29] Ein nennenswerter Aufwand für Kühlung sorgt dafür, dass der Jahresgang der Last ein 2. Maximum im Sommer erhält [Wagner F., Muraoka K., and Yamagata Y. (folgend). Allowable limit of renewable energy into electricity systems. Journal of Electrical Engineers of Japan. Submitted for publication]. Dieser in der Zukunft vielleicht wichtige Bedarf spielt bei derzeitigen Versorgungsszenarien eine untergeordnete Rolle, da es in der öffentlichen Debatte noch um Vermeidung (mitigation) und weniger um Anpassung (adaptation) geht.

[30] Trotz der zu erwartenden Erhöhung an CO2 Emissionen, gibt es auch in solchen Ländern Fördergelder und Investoreninteressen am Aufbau von EE.

[31] Newsletter der Bundesnetzagentur vom 6.5.2015.

[32] FAZ vom 13.5.2015: „Die G7 werden nicht zum Club der Energiewende“. Der Welt-Energierat kommt im November 2014 zu dem Ergebnis, dass die „Deutsche Energiepolitik als Blaupause für die Welt?“ eine Gefahr für eine sichere Energieversorgung darstellt und das deutsche Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst.

[33] Bryce Robert (2014). Maintening the advantage: Why the U.S. Should Not Follow the EU’s Energy Policies. New-York: Manhattan Institute. 20p. (Energy Policy and Environment Report).  Available on http://www.manhattan-institute.org/html/maintaining-advantage-why-us-should-not-follow-eus-energy-policies-5990.html [Accessed on Sept.16, 2016]

[34] EFI Jahresgutachten 2014, http://www.e-fi.de/fileadmin/Gutachten_2014/EFI_Gutachten_2014.pdf.

 


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